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Anamnese
Anamnese heißt Vorgeschichte. Der Arzt befragt den Patienten, um sich ein Bild von dem Menschen zu machen, der in seine Behandlung tritt. Er fragt nicht aus Neugier. Es ist vielmehr oft unumgänglich notwendig für die Beurteilung der jetzt vorliegenden Erkrankung, dass der Arzt erfährt, ob schon eines der Eltern oder Geschwister an der gleichen Krankheit gelitten hat, welche Gesundheitsstörungen früher bei dem Patienten selbst aufgetreten sind, weiterhin auch, wie viele Kinder eine Patientin geboren hat, wie der Verlauf der Geburten war, usw. Alle diese Fragen des Arztes müssen wirklich offen beantwortet werden. Es wäre falsch und könnte vielleicht dem eigenen Gesundwerden im Wege stehen, wenn man etwas verheimlichen würde. Man soll vielmehr selbst mitüberlegen was einem vielleicht noch — ohne dass der Arzt gerade danach fragt — erwähnenswert erscheint. Dabei darf man voraussetzen, dass alles, was man dem Arzt in der Sprechstunde anvertraut, bei ihm wohlverwahrt bleibt; seine ärztliche Schweigepflicht bindet ihn wie übrigens auch sein Hilfspersonal: seine Sprechstundenhilfe, seine technische Assistentin usw. Diese Schweigepflicht besteht z. B. auch dann, wenn eine Patientin dem Arzt ein Ereignis anvertraut, das ihren eigenen Körper betrifft und das möglicherweise nicht im Einklang mit den Vorschriften des Gesetzes steht. Es wäre falsch, eine solche Mitteilung, die vielleicht ein klärendes Licht auf die jetzige Erkrankung werfen kann, zu unterlassen, weil man annimmt, sich vielleicht damals strafbar gemacht zu haben. Der Arzt ist auch in einem solchen Fall zum Schweigen gegenüber Dritten verpflichtet, und er sieht es niemals als seine Aufgabe an, ein Vorkommnis, von dem er in der Sprechstunde erfährt, nach dem Wortlaut von Gesetzen zu beurteilen; er will vielmehr nur dem Menschen, der sich ihm anvertraut, helfen, die Gesundheit so bald wie möglich wiederzuerlangen. In diesem Zusammenhang noch dies: Für den Arzt gibt es nur Krankheiten; er unterscheidet nicht zwischen »anständigen« und »unanständigen« Erkrankungen. Hier etwa während des Gesprächs mit dem Arzt, also während der Anamnese, eine im wahrsten Sinne des Wortes falsche Scham walten zu lassen, könnte sich vielleicht bitter rächen, wenn dadurch dem Arzt der Einblick in das wirkliche Krankheitsgeschehen verwehrt würde.
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