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Wundbehandlung und Wundheilung
Wunden entstehen durch Schnitt, Stich, Riß oder Quetschung. Am wenigsten zertrümmert ist das Gewebe bei einer Schnittwunde. Sie heilt deshalb im Allgemeinen auch am schnellsten. Die Stichwunde hat gegenüber der Schnittwunde den Nachteil, im Verhältnis zu ihrer oberflächlichen Ausdehnung recht weit in die Tiefe zu reichen. Bei der Rißwunde wird bedeutend mehr Hautgewebe oder sogar Unterhautgewebe beschädigt. Eine besonders starke Gewebsschädigung weist eine Quetschwunde auf. – Für den Betroffenen selbst gelten zwei Regeln: Eine Wunde darf niemals ausgewaschen werden, auch wenn sie noch so schmutzig aussieht: das Blut, das aus der Wunde strömt, spült eingedrungene Krankheitserreger heraus; der Wasserstrahl würde sie in die Wunde hineinspülen. Die Wunde wird so, wie sie ist, verbunden. Wenn kein eigentliches Verbandmaterial zur Verfügung steht, dient dazu ein gewaschenes und geplättetes Taschentuch oder eine Serviette, so wie sie dem Wäscheschrank entnommen werden. Watte ist zum Bedecken einer Wunde völlig ungeeignet. Dann überlässt man die weitere Versorgung der Wunde dem Arzt. Die vom Laien nicht abzuschätzende Gefahr der möglichen Verunreinigung einer Wunde mit den verschiedensten Krankheitserregern und die oft sehr bedrohlichen Folgen einer solchen Wundinfektion machen den Gang zum Arzt, der so schnell wie möglich geschehen soll, unumgänglich notwendig. Auch wenn es z. B. gelingt, eine etwas tiefere Schnittwunde an einem Finger durch gut angelegte Streifen eines Klebepflasters so zusammenzuhalten, dass die Blutung bald aufhört, darf der Besuch beim Arzt nicht etwa auf den nächsten Tag verschoben werden. Bis dahin könnten Krankheitskeime bereits weit ins Gewebe eingedrungen sein, so dass der Arzt nicht mehr so helfen kann wie in den ersten 6 Stunden nach der Verletzung. Bis zu dieser 6StundenGrenze besteht die Möglichkeit, dass er die Wunde sogleich sozusagen endgültig versorgt: Nach der notwendigen so genannten Wundtoilette (Abtragen der gequetschten Wundränder zur Herstellung »glatter« Wundflächen, die sich gut aneinanderlegen können) kann die Verletzung durch Naht oder Klammer geschlossen werden. (Das Wort »Naht« bedeutet in der Sprache des Arztes im Allgemeinen das gleiche, wie bei der Hausfrau das Wort »Stich«. Mit einer gekrümmten Nadel wird ein Faden je einmal durch jeden Wundrand hindurchgeführt und dann zusammengeknotet. Deshalb muss der Arzt bei größeren Wunden auch manchmal »mehrere Nähte legen«. Zum Klammern einer Wunde benutzt man kleine Metallklammern, die, zusammengedrückt, die Wundränder aneinandergelegt halten.) Zugleich wird der Arzt in vielen Fällen »eine Tetanusspritze geben«, um vorsorglich alles zur Verhütung einer Erkrankung an Wundstarrkrampf zu tun. – Ist die genannte 6StundenGrenze überschritten, lässt sich eine Wunde meist nicht mehr in dieser Weise »primär« versorgen; man muss sie vielmehr offen lassen und kann nun nur noch abwarten, dass sie sich durch Neubildung von Gewebe – vom Grunde der Wunde her – langsam von selbst schließt. Das nimmt natürlich sehr viel mehr Zeit in Anspruch als das Verheilen nach Verschluß der Wunde durch eine Naht; meist tritt zunächst eine entzündliche Absonderung bzw. eine Eiterabsonderung aus der Wunde auf, bevor sich das Gewebe aus eigener Kraft so weit gereinigt hat, dass eine solche »sekundäre« Wundheilung eintreten kann. – Damit ist allerdings nicht gesagt, dass man, ist die Verwundung schon länger als 6 Stunden her, nicht mehr zum Arzt zu gehen braucht, weil er die Wunde ja doch nicht mehr nähen kann. Auch eine zunächst »vertrödelte« Wunde erfordert dringend ärztliche Behandlung, weil nur der Arzt übersehen kann, was in einem solchen Fall zu tun unbedingt notwendig ist. Es muss die Frage der TetanusProphylaxe entschieden werden, die Art der Wundbehandlung und die Art des Verbandes (bei dem oft das Anlegen einer Schiene notwendig ist, um das Wundgebiet vollkommen ruhigzustellen, weil davon der Verlauf der Heilungsvorgänge wesentlich abhängen kann). – Im einzelnen sehen diese Heilungsvorgänge so aus: Weil Entzündungserreger auf die Wundflächen gelangten, schickt der Körper schnell weiße Blutkörperchen in die Wunde, damit diese den Kampf gegen die feindlichen Keime aufnehmen. Die abgekämpften Leukozyten verlassen die Wunde als Eiter. Vom Grunde der Wunde her wächst unterdessen ein lockeres Gewebe, das aus Bindegewebszellen besteht und sehr viele kleine Blutkapillaren enthält, immer mehr zum Wundrand empor. Dieses »Granulationsgewebe« ist jenes tiefrote, oberflächlich wie gekörnt aussehende »Fleisch«, das jeder schon einmal eine Wunde hat ausfüllen sehen. Ist die Wunde bis zum Rand damit ausgefüllt, so haben die Epithelzellen der obersten Hautschicht eine Basis, auf der sie sich, von allen Wundrändern zugleich loswachsend, hinwegschieben können, um die Wunde endgültig zu schließen. So gleicht eine Wunde, die »per secundam« heilt, etwa einer Schachtel mit einem Schiebedeckel: Die Schachtel wird vom Boden aus mit dem Granulationsgewebe gefüllt, und wenn sie voll ist, wird sie durch den Schiebedeckel des Hautepithels geschlossen. Manchmal wird der rechte Augenblick dazu verpaßt, so dass das Granulationsgewebe »überläuft« und der Deckel des Hautepithels nicht mehr zugeschoben werden kann. Man spricht dann von »wildem Fleisch«. Der Arzt muss das »überstehende« Granulationsgewebe mit einem Ätzstift beseitigen oder manchmal auch mit einem Messer abtragen, damit sich der Epitheldedtel ordnungsgemäß zuschieben kann. Damit verliert zugleich das Granulationsgewebe langsam seinen ursprünglichen Blutreichtum und seine Weichheit. Die zuerst rote und weiche Narbe wird blasser, fester und schrumpft sogar ein wenig. Näheres dazu s. Narben.
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