|
Gelenkrheumatismus chronischer
(chronische Polyarthritis). Entgegen früheren Ansichten sind der akute und der chronische Gelenkrheumatismus zwei verschiedene Leiden und nicht nur zwei Phasen des gleichen rheumatischen Geschehens. Bei der chronischen Polyarthritis handelt es sich um eine konstitutionell bedingte familiärerbliche Erkrankung des Bindegewebes, die die Gelenke und die umgebenden Gewebe betrifft. Die Ursache ist nicht bekannt. Eine Infektion geht der Erkrankung nicht voraus. Die Erkrankung beginnt zumeist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Frauen werden dreimal häufiger als Männer befallen. Oft fällt der Erkrankungsbeginn mit einer Gelenkverletzung zusammen; geschädigte Gelenke sind oft schwerer befallen als andere. Für die Bedeutung hormonaler Faktoren sprechen folgende Tatsachen: häufigeres Vorkommen beim weiblichen Geschlecht, häufigere Verschlechterungen während der Wechseljahre, häufigere Rückbildungen während der Schwangerschaft. Es werden auch psychologische Momente angeführt. Die Erkrankung beginnt akut oder schleichend, zuerst nur ein oder gleich mehrere Gelenke befallend. Zwischen einzelnen Krankheitsschüben können Stadien mit scheinbarem Stillstand des Leidens liegen. Der eigentlichen Erkrankung gehen häufig folgende Vorboten voraus: allgemeine Müdigkeit, leicht erhöhte Temperaturen, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, abnorme Empfindungen in Fingern und Händen (Eingeschlafensein, Kribbeln, Kältegefühl), Gelenkschmerzen, Blutarmut. Das Frühstadium ist durch folgende Symptome gekennzeichnet: Schmerzen und spindelförmige Schwellungen kleiner Gelenke, insbesondere der Grund und Mittelgelenke der Finger und Zehen; Morgensteifigkeit der Gelenke; bläuliche Hautverfärbung über den kleinen Gelenken; starkes Schwitzen; Gewichtsverlust. Später treten hinzu: Knötchen unter der Haut über Knochenvorsprüngen (z. B. an der Außenseite der Ellenbogengelenke); Muskelschwund; Deformierung und funktionelle Beeinträchtigung der einzelnen Gelenke (z. B. Bajonettstellung der Finger oder teleskopartige Verkürzung der Finger); oft kommt es zu einer symmetrischen Gelenkschwellung desselben Gelenks beider Körperhälften. Beteiligt an der Erkrankung können außerdem Lymphdrüsen, Augen, Nerven, Blutgefäße, Sehnen und Schleimbeutel sein. Die Diagnose stellt der Arzt aufgr und der klinischen Untersuchung und der Röntgenbefunde. Die Laborbefunde geben auch gewisse Aufschlüsse. Nach jahrelangem schleichendem Verlauf werden auch die großen Gelenke ergriffen. Im Einzelfall ist es unmöglich, den weiteren Verlauf der Erkrankung vorauszusagen. Es kann zu vollkommener Rückbildung der Erscheinungen kommen, aber auch schwere Gelenkversteifungen können das Endresultat sein. In bezug auf die Lebenserhaltung ist die Prognose günstig. Die Behandlung richtet sich nach dem Stadium und der Schwere der Erkrankung. Im Frühstadium kommt man mit Bettruhe, Schienung und Salizylsäurepräparaten aus. Sonst kommen noch folgende Maßnahmen in Betracht: Wärmeanwendungen (z. B. Paraffinpackungen), Bewegungsübungen, Wasseranwendungen, orthopädische Geräte, Cortisoninjektionen in die betroffenen Gelenke, verschiedene stark wirksame entzündungshemmende Medikamente (Goldverbindungen, Phenylbutazon, Malariamittel). Bei fortgeschrittenen Gelenkzerstörungen kann durch eine chirurgische Behandlung ein Ausgleich bzw. eine Wiederherstellung erreicht werden (z. B. Gelenkplastik oder künstliche Gelenkversteifung). Den Abschluß bilden Beschäftigungstherapie und Rehabilitation. Sonderformen der chronischen Polyarthritis: Stillsche Krankheit: Gelenkschwellungen im Kindesalter unter Milz, Leber und Lymphdrüsenvergrößerung; wechselndes Fieber; häufige Augenbeteiligung; bei schwerer Erkrankung auch Wachstumsstörungen. Ausheilung unter Zurücklassung von Gelenkschäden unterschiedlichen Ausmaßes. FeltySyndrom: sozusagen die Stillsche Krankheit der Erwachsenen. SjögrenSyndrom: chronische Polyarthritis mit Verminderung der Tränen und Speichelabsonderung.
Diese Seite als Bookmark speichern :
<< vorhergehender Begriff |
|
nächster Begriff >> |
|
|
|
Weitere Begriffe : Infektion | Lumbago | Varus a um |
|