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Syphilis (Lues)

Sie ist die gefährlichste Geschlechtskrankheit. Ihr Verlauf kann sich über Jahre und Jahrzehnte hinziehen. Die S. ist für die gesamte Medizin von Interesse, da sie zu krankhaften Veränderungen an fast allen Organen führen kann.

Der Erreger ist die Spirochaeta pallida (Treponema pallidum), eine korkzieherähnliche bewegliche Mikrobe, die unter dem Mikroskop nur bei Dunkelfeldbetrachtung sichtbar ist. Der Syphiliserreger ist schwer züchtbar und geht außerhalb des Organismus schnell zugrunde. Seine Verbreitung erfolgt durch direkten Kontakt mit kranken Personen, in über 90 0/0 der Fälle durch Geschlechtsverkehr. Im floriden Stadium, d. h. wenn spirochätenreiche Erscheinungen vorhanden sind, ist die S. hoch ansteckend. Mit zunehmender Dauer der Krankheit nimmt aber ihre Ansteckungsfähigkeit ab und ist nach etwa 2 Jahren zumeist erloschen. Ansteckung durch Küsse kommt vor, dagegen ist indirekte Übertragung
durch Gegenstände, z. B. Rasierzeug, Toilettenartikel, Blasinstrumente äußerst selten.

Die früher so gefürchtete Infektionskrankheit hat seit der Einführung des Penicillins ihre Schrecken weitgehend verloren, auch ist ihre Häufigkeit im Vergleich zu früher zurückgegangen, obwohl in den letzten Jahren infolge von Promiskuität und mangelnder Vorsicht ein starker Wiederanstieg der Erkrankungsziffern in den meisten Ländern zu verzeichnen ist.

Außer der durch Ansteckung erworbenen, gibt es noch die sog. angeborene S. (kongenitale S. S. connata). Hierbei handelt es sich nicht, wie man vor Entdeckung des Erregers fälschlich angenommen hatte, um eine Vererbung, sondern um eine Weitergabe der Infektion von der kranken Mutter an den Fetus, die auf dem Wege über die Plazenta in der zweiten Schwangerschaftshälfte vor sich geht. Wenn es nicht zu einer Frühgeburt oder Totgeburt kommt, zeigt das Neugeborene die Merkmale einer AlIgemeinerkrankung: verschiedenartige Hautausschläge wie Pemphigus syphiliticus, Vergrößerung der Leber und Milz, Knochenver änderungen. Bei der Spätform, die sich erst im Schultalter zeigt, findet sich oft die Hutchinsonsche Trias: Hornhautentzündung, Labyrinthtaubheit und Zahndeformationen; ferner säbelartige Verformung der Schienbeine, Sattelnase.

Verlauf der erworbenen S.: 10 Tage bis 8 Wochen (Durchschnitt 3 Wochen) nach der Ansteckung entsteht an der Stelle, wo Spirochäten eingedrungen sind, also gewöhnlich an der Schleimhaut der äußeren Geschlechtsteile, manchmal an den Lippen, in der Mundhöhle, an den Gaumenmandeln oder auch am After, eine wunde Stelle von unterschiedlicher Größe, oft mit verhärtetem Rand (Primaraffekt, harter Schanker). Stets sind dabei die Lymphknoten in der Umgebung befallen und erscheinen als derbe schmerzlose Schwellungen.

Dieses Primärstadium geht über in das Sekundärstadium, bei dem nach spontaner Abheilung des Schankers mannigfache Veränderungen an Haut und Schleimhäuten erscheinen. Der Hautausschlag kann fleckförmig .(Roseola) oder knötchenförmig sein, auch mit Schuppung und Pustelbildung (niemals Juckreiz!). Dazu kommen mehr oder weniger ausgeprägte Wucherungen (Papeln) an Schleimhäuten. In diesem Stadium ist auch das Allgemeinbefinden durch die massenhafte Verbreitung der Spirochäten im Körper beeinträchtigt, was sich in Fieber, Abgeschlagenheit, Kopf und Gelenkschmerzen äußern kann. Ferner werden Pigmentstörungen und fleckförmiger Haarausfall beobachtet, dazu regelmäßig schmerzlose Drüsenschwellungen an verschiedenen Körperteilen. Diese Symptome lassen im weiteren Verlauf der Krankheit allmählich nach; es tritt eine Latenzperiode ein, die sich über Jahrzehnte hinziehen kann. Während dieser Ruhepause sind keine Erscheinungen vorhanden. Eines Tages aber können dann die dramatischen Spätsymptome auftreten, bei deren Zustandekommen allergische Vorgänge eine Rolle spielen.

Dieses Tertiärstadium ist gekennzeichnet durch gruppierte, wuchernde Herde an verschiedenen Hautbezirken oder durch geschwulstartige Knoten (Gummata) in der Haut, die bei fortschreitendem Wachstum zur Geschwürsbildung führen; sie kommen auch im Muskel und an Knochen vor, ferner an und in den verschiedensten Organen.

Wichtig ist, daß die Spätsyphilis schwere Erkrankungen am Herzen und am Gefäßsystem bewirken kann. Die luische Ausbuchtung der Hauptschlgader (s. i Aorta) ist ein oft lebensbedrohendes Leiden. Auch die Herzkranzgefäße können befallen werden. Gummata im Herzmuskel haben bei Zerfall schwere Folgen für die Herztätigkeit. Weiterhin können Lungen, Leber, Milz, Bauchspeicheldrüse und andere innere Organe beteiligt sein. Gummöse Hirnlues ist ein besonders schweres Krankheitsbild. Ernsthaft ist auch die syphilitische Erkrankung der Blutgefäße im Gehirn.

Das Quartärstadium der S. (Neurolues) macht sich durchschnittlich 10 bis 20 Jahre nach der Ansteckung bemerkbar. Dabei handelt es sich vorwiegend um Veränderungen im Gehirn und am Rückenmark, die reichlich Spirochäten enthalten. Eine Hauptform ist die Tabes dorsalis (Rückenmarksschwindsucht), eine andere ist die progressive Paralyse. Bei der ersteren liegt eine Degeneration der Nervenganglien und fasern vor. Klinische Zeichen sind Verlust der Reflexe, auch der Pupillenreaktion, schwankender Gang (Ataxie), blitzartige (»lanzinierende«) Schmerzen in den Beinen, Bauchschmerzen (gastrische Krisen), Gelenkveränderungen, Blasen und Mastdarmstörungen. Die progressive Paralyse, die die Großhirnrinde angreift, beginnt mit unbestimmten Beschwerden wie Kopfschmerzen und Gedächtnisschwund, allmählich kommt es zu einer fortschreitenden Veränderung der Persönlichkeit (Größenwahn, Depressionen, Bewegungsdrang, Sprachstörungen) und zunehmendem geistigen Verfall (Dementia paralytica).

Diese Spätformen der S. sind seit der Penicillintherapie selten geworden.

Die Diagnose der S. mit ihren mannigfachen Erscheinungsformen setzt klinische Erfahrung voraus, wird aber erleichtert durch sichere Laboratoriumsmethoden. Außer der klassischen Wassermannschen Reaktion stehen eine Reihe einfacher und weniger aufwendiger serologischer Verfahren zur Verfügung, die auch zur Untersuchung der Rückenmarksflüssigkeit angewandt werden. In zweifelhaften Fällen wird der Nelson Test herangezogen, wobei man das zu untersuchende Blutserum mit Kulturspirochäten zusammenbringt; bei Vorliegen einer Infektion werden die Spirochäten durch spezifische Antikörper unbeweglich gemacht.

Die Behandlung der S. ist durch die Einführung des Penicillins revolutioniert worden, da man seitdem auf alle früheren »Kuren« die schwieriger durchzuführen und weniger wirksam waren verzichten und alle Stadien der Krankheit damit behandeln kann, wobei natürlich die Heilungsaussichten in der Frühperiode am besten sind. Was die Dauer der Behandlung und die Dosierung des Penicillins betrifft, so bedarf es fachärztlicher Begutachtung des Einzelfalles. Gelegentlich ist der Einsatz anderer Antibiotika geboten.

Zur Verhütung der Krankheit und ihrer Weiterverbreitung ist individuelle Hygiene notwendig, insbesondere die Erfassung der jeweiligen Infektionsquelle (Meldepflicht!). Zur Vermeidung der angeborenen S. ist es ratsam, daß Ehepartner eine Blutuntersuchung bei sich vornehmen lassen.

 

 

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