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Spinale Kinderlähmung Eine akute, ansteckende Krankheit, die manchmal zum Tode, aber öfter zur Verkrüppelung führt. Sie kommt in allen Erdteilen vor, aber epidemische Ausbrüche sind erst seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bekannt. Isolierte Fälle sind ziemlich selten. Die paralytische, d. h. Lähmungen verursachende Form kann jetzt durch ) Schutzimpfung weitgehend verhindert werden. Die Krankheit befällt in erster Linie Kinder, besonders solche vor dem 5. Lebensjahr. Jedoch auch Erwachsene bleiben nicht verschont, wobei der Verlauf dann meist gefährlich ist. In gemäßigten Zonen findet man jahreszeitliche Schwankungen (Häufung im Sommer und Herbst), während in den Tropen die Kurve gleichmäßig ist.
Ursache ist ein Virus Die Übertragung erfolgt von Mensch zu Mensch, wobei ein gesunder Virusträger genauso ansteckend ist wie ein klinischer Fall. Die Ausbreitung wird begünstigt durch schlechte sanitäre Verhält nisse, wobei es dann durch frühzeitige Exposition zu einer Art Durchseuchungsimmunität kommt, die Epidemien nicht aufkommen läßt. Der fast paradox anmutende Vorteil einer solchen Situation liegt darin, daß viele Kinder schon frühzeitig infiziert werden und nicht selten nach einem ganz leichten Krankheitsverlauf eine Immunität erwerben. Eine solche »stille Durchimmunisierung« verhindert das Auftreten von Epidemien. Bei einer Verbesserung der Hygiene nimmt die Zahl der nicht immunisierten Personen in der Bevölkerung zu, und es kann wenn keine Schutzimpfung stattfindet zu einer Epidemie kommen, sobald ein kräftiger Erregerstamm eingeschleppt wird. Nachdem das Virus in den Mund Rachenraum eingedrungen ist, setzt es sich dort und im Verdauungskanal fest und vermehrt sich. 3 bis 4 Tage nach der Ansteckung ist es im Rachen, im Blut und im Stuhl nachweisbar. Im Blut hält es sich mehrere Tage, bis zum Auftreten von Abwehrstoffen. Die Invasion des Nervensystems erfolgt wahrscheinlich auf dem Blutweg, obwohl Experimente gezeigt haben, daß der Erreger den Nervenfasern entlang wandern kann. Die Folge ist eine Schädigung der Vorderhörner des Rükkenmarks; auch Teile des Gehirns und des Kleinhirns können befallen werden. Das Krankheitsbild ist vielgestaltig, mit Vorherrschen von zwei Hauptformen. Die leichte (abortive) Verlaufsweise die bis zu 90 0/0 der Infektionen umfaßt und nur 1 bis 3 Tage dauert kann so gut wie unbemerkt bleiben. Dabei zeigen sich Fieber, Unpäßlichkeit, Kopfschmerzen, Halsentzündung, manchmal Erbre chen. Daraus ist eine klinische Diagnose kaum möglich. Aber auch diese Form hinterläßt Immunität gegen eine oder mehrere Arten des Erregers. Die schwere Form, die besonders ältere Kinder und Erwachsene heimsucht, beginnt ohne Vorboten mit Fieber, heftigen Kopfschmerzen, Nackensteifigkeit; dabei bestehen Muskelschmerzen und manchmal Sensibilitätsstörungen. Bei den zu Lähmungen führenden Fällen findet man Schwäche verschiedener Muskeln sowie Verluste von Reflexen. Die Körperstellen, an denen Lähmungen auftreten, hängen vom Sitz der Krankheitsherde im Nervensystem ab. Bei der Form, die das verlängerte Mark betrifft, sind die Kopfnervenkerne in Mitleidenschaft gezogen, und es kommt zu Lähmungen der Rachen und Kehlkopfmuskulatur sowie der Gesichtsmuskeln. Eine gefürchtete Komplikation ist die Atemschwäche, sei es durch Lähmung der Atmungsmuskeln oder durch Schädigung des Atmungszentrums im verlängerten Mark. Diese lebensgefährliche Situation kann mit künstlicher Beatmung überbrückt werden. Von den an paralytischer (mit Lähmung einhergehender) s.r K. Erkrankten behalten weniger als 25 °/o schwere Körperbehinderungen zurück, etwa 25 °/o kommen mit leichten Schäden davon, und über 50 °/o genesen vollständig. Leider verläuft bei einem kleinen Prozentsatz der Erkrankten die s. K. tödlich. . Die s. K. kann heutzutage als eine vermeidbare Krankheit angesehen werden, dank der in den USA entwickelten Impfstoffe. Nachdem sich der von Salk gewonnene Impfstoff (ein durch Formalin inaktiviertes Virus), der eingespritzt werden muß, gut bewährt hat, wird jetzt die bequeme Schluckimp f ung nach Sabin allgemein bevorzugt. Dabei verwendet man abgeschwächte lebende Virusarten. Diese Schutzimpfungen werden zweckmäßig im Winter oder Frühling vorgenommen, in erster Linie bei noch nicht schulpflichtigen Kindern. Durch systematische Immunisierung könnte es gelingen, das Gespenst der s. K. für immer zu bannen. Leider hat seit der drastischen Abnahme von Krankheitsfällen die Teilnahme der Bevölkerung an den Impfungen nachgelassen, so daß es zu einem Wiederanstieg der Krankenzahlen kommen kann.
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